Bisher war die Elektronik im E-Auto dafür ausgelegt, um von A nach B zu kommen Mit der Digitalisierung und der Elektromobilität wachsen die Anforderungen an die Elektronik der Fahrzeuge. Was der Status-Quo ist, welche Herausforderung es gibt und wie BMW’s Neue Klassen und Fisker Blade diese Herausforderungen meistern möchten, erfährst du hier. 

Das Vermächtnis der 12 Volt Architektur – BMW Neue Klasse & Fisker Blade als Ablöse

Wenn man sich heute ein Elektroauto anschaut, basiert die Onboard Elektronik auf der gleichen Technik, die wir bereits von einem Auto mit Verbrennungsmotor kennen. Ein E-Auto hat ebenfalls eine 12 Volt Batterie eingebaut die über einen DC/DC Wandler von der Hochvoltbatterie versorgt wird. Ohne dieses System funktionieren in modernen Autos die Aktoren wie zum Beispiel der Fensterheber, die Lüfter oder Türen nicht. Dies ist ohne die bestehende 12-Volt-Architektur aktuell nicht anders realisierbar. In erster Linie ist hier nicht die Einsparung von Entwicklungsaufwänden der Grund, sondern vor allem der Sicherheitsaspekt steht hier im Vordergrund. Bei einem Unfall wird die Hochvoltbatterie getrennt von den Verbrauchern des Fahrzeugs. Da diese, wie der Name schon sagt, hohe Spannungen hat, ist sie für die Insassen, wie auch für Rettungskräfte ein Sicherheitsrisiko. Durch das Trennen des Stromkreises, bleibt die Ladung in der Batterie. Auch spielt das Thema Effizienz eine besondere Rolle: Die aktuellen Elektronikarchitekturen haben einen Grundverbrauch von bis zu 500 Watt. Dies ist insbesondere beim Thema bidirektionales Laden von immenser Bedeutung, da dies die Gesamtbilanz des bidirektionalen Ladens ineffizient macht.

Softwaredefiniertes Fahrzeug stellt neue Anforderungen

24/7 online statt Zündung an und los

Die bisherige Architektur war vor allem für die alte Welt ausgelegt. Die Elektronik des Fahrzeugs wurde nur dann benötigt, wenn das Fahrzeug zum Fahren benutzt wurde. Doch mit der Elektromobilität und der fortschreitenden Digitalisierung ergeben sich neue Herausforderungen an das Gesamtkonzept Automobil. Dabei übernimmt das Fahrzeug künftig neue Aufgaben und auch die Kunden haben neue Anforderungen zur Nutzung.

Durch die zunehmende Digitalisierung des Fahrzeugs, wird auch die Art und Weise des Betriebs anders. Updates werden Over-The-Air (OTA) über Nacht im Fahrzeug aufgespielt. Serviceaktionen, die keinen händischen Eingriff benötigen, werden dadurch obsolet, da das Fahrzeug sich selbst die Updates zieht. Keiner hat nämlich Lust die Installation eines Updates im Auto abzuwarten, um dann weiter fahren zu können. Alles was wir bisher von Smartphone, Laptop und Co kennen, wird künftig auch ein Automobil können müssen.

Auch in puncto Energiewende und erneuerbare Energien werden neue Geschäftsmodelle entstehen. Mit Hilfe von dynamischen Strompreisen wird das Laden des Fahrzeugs preislich günstiger. Durch die Nutzung der Traktionsbatterie durch das bidirektionale Laden wird ein weiterer Anreiz für ein Elektroauto und die Nutzung des Hochvoltspeichers als Stromquelle geschaffen. Dafür muss jedoch die Robustheit der Fahrzeugelektronik gewährleisten, auf Abruf und im Dauerbetrieb außerhalb des Fahrens bestehen zu können.

Softwaredefiniertes Fahrzeug bietet Service der Zukunft

Künftig werden die Hersteller ein servicezentriertes Softwareangebot haben, das dem Endkunden auch ermöglicht, einzelne Funktionen nur zeitweise zu nutzen. So kann ein Kunde den Spurhalteassistent nur für einen Monat buchen, da er diesen im Alltag nicht benötigt allerdings für die Urlaubsfahrt gerne nutzen möchte. Vorausgesetzt die Hersteller bauen auch attraktive Bundles und bieten keine „Scheinservices“ wie die Sitzheizung an.

Zusätzlich wird durch Functions on Demand das Bedürfnis steigen, einzelne Funktionen einfach freizuschalten, die unter Umständen ein Softwareupdate benötigen. Auch lassen sich künftig Fahrerassistenzsysteme erweitern und die Komplexität der Modelle nimmt ab. Dies ist vor allem für die Hersteller ein Vorteil, da grundsätzlich alle Fahrzeuge die gleiche Hardware bekommen, aber nicht alle Funktionen der Nutzer unbedingt freischalten muss. Was für den Endverbraucher komisch klingt, ist allerdings in einer softwaredefinierten Welt State of the Art.

Auch das Verhalten der Nutzer wird sich ändern: Wer kennt nicht die Videos der Tesla Fahrer, die in ihrem Auto übernachten und die Klimaanlage und das Infotainmentsystem durchlaufen lassen. Natürlich wird nicht jeder in einem Tesla übernachten, aber die Anwendungsfälle werden breiter.

Ausblick in die Zukunft – Wer hat eine softwarefreundliche Plattform – BMW Neue Klasse & Fisker Blade

Tesla hat bereits mit seiner Elektroautoplattform bewiesen, dass eine Entwicklung einer Elektronikarchitektur auf dem „weißen Blatt“ Vorteile, aber auch Investitionen mit sich bringt. Da sich die Amerikaner allerdings als Softwarefirma verstehen, kam diese Frage für sie gar nicht erst auf. Doch auch andere Player auf dem Markt haben diesbezüglich Pläne.

Während wir von der IAA Mobility bisher immer die Vorstellung von neuen Modellen und Plattformen der Hersteller gewohnt waren, haben zwei Hersteller vor der großen Messe ihre Pläne für die Elektronikplattform der Zukunft geteilt.

BMW – Die Niere als Designelement – Das „Heart Of Joy“ als Nervenzentrale

Fast schon als Randnotiz und als zentrales Element des Claims „Freude am Fahren“, hat Oliver Zipse nach der Vorstellung der „Neue Klasse“ die zentrale Steuereinheit – das „Heart Of Joy“ – vorgestellt. Diese kleine, unscheinbare schwarze Box, die er in den Händen hochgehalten hat, stellt das neue Gehirn der Elektronikplattform eines BMW dar. So werden BEV-spezifische Funktionen, wie die Rekuperation weiterentwickelt. Diese Funktion hat das Potenzial, die bisher genutzten mechanischen Bremsen am Fahrzeug überflüssig zu machen. Außerdem sorgt die zentrale Steuereinheit beim rekuperieren dafür, dass auf nassen oder beschneiten Straßen kein zu hoher Bremsdruck erzeugt wird und das Fahrzeug dadurch von der Spur abkommt. Dies wird ermöglicht, da einzelne Sensoren direkt kommunizieren und nicht den Weg über diverse Steuergeräte nehmen müssen. Zwar sprechen wir hier aktuell von Latenzen im Bereich von 10 bis 20 Millisekunden, diese können jedoch entscheidend sein für eine rechtzeitige Kommunikation der einzelnen elektronischen Akteure im Fahrzeug. Das Ziel von BMW ist, dass die Verzögerung mit dem Heart of Joy bei maximal einer Millisekunde liegt!

Ein großes Potenzial liegt hierbei bei der Entwicklung von neuen Modellen. Dadurch dass fast alle elektrischen Komponenten OTA-fähig sind, können während der Entwicklung noch einfacher neue Funktionen aufgespielt werden. Bisher mussten einzelne Steuergeräte geflashed werden – ein Problem das auch Kunden der ersten ID.3 Baureihe kennen. Die Aktualisierung der Software ist dadurch in weniger als 20 Minuten durchgeführt.

Fisker Lösung zu BMW Neue Klasse – Modelloffensive mit Blade Technologie

Auch Fisker hat im Rahmen seiner neu vorgestellten Modelle, wie dem Fisker PEAR seine neue modulare Plattform namens Blade vorgestellt. Mit insgesamt 6,2 TerraFLOPs und einem internen Multi-Gigabit-Ethernet Netzwerk hat Fisker eine sichere Fahrzeugplattform für seine neuen Fahrezeuge. Zum Vergleich: Eine PlayStation 5 hat insgesamt 10,3 TerraFLOPs an Rechenleistung, muss dafür aber auch komplexe grafische Inhalte berechnen und darstellen. Mit dem integrierten 5G-Modul und dem WiFi 6 Netzwerk werden fahrzeuginterne Analysen möglich sein, die über die Cloud dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Dadurch können Produkte weiterentwickelt, aber auch Probleme und Fehler frühzeitig erkannt werden.

Mit dem Fisker Blade startet auch Henrik Fisker in eine neue digitale Ära

Volkswagen Group – E3 Software für die digitale Zukunft von VW, Audi, Porsch und Co.

Große Hoffnungen liegen auf CARIAD. Die Softwareschmiede der Volkswagen Group hat das ambitionierte Ziel die E3 Software (E3 steht für End-to-End Electronic Architecture) zu entwickeln, um die Softwareentwicklung und auch die Hardwarebasis zu vereinen. Jedoch ziehen langsam dunkle Wolken am Horizont von CARIAD auf: Während auf der IAA Mobility 2023 weder der Macan electric seine Premiere noch das Schwestermodell, der Audi Q6 e-tron präsentierte, wird laut jüngsten Berichten bereits von einem Stellenabbau bei CARIAD gesprochen. Die beiden genannten Elektro-SUVs sollten ihr Debüt Anfang nächsten Jahres feiern. Dies verzögert sich jedoch aufgrund der verspäteten E3 Softwareversion 1.2 bei der sogar Porsche direkt mitarbeitet.

Dennoch ist die E3 Software von wichtigster Bedeutung für alle Konzernmarken. Sie bündelt die Ressourcen, die für alle Marken relevant sind und beschleunigt dadurch die Digitalisierung im Fahrzeug. Sie wird Enabler für neue Funktionen und bringt den Konzern in der Version 2.0 zur neuen Elektroautoplattform SSP (Scalable Systems Platform) die im Jahre 2026 ihre Premiere feiern wird.

Fazit: Die Elektronikplattform von Morgen im (E-)Auto

Was wird also die Elektronik in Autos beinhalten. Sie wird künftig interoperabel, konnektiv und dadurch weitere Funktionen bieten. Neue Funktionen wie Fahrerassistenzsysteme oder Systemupdates lassen sich dadurch einfach realisieren. Die Komplexität der einzelnen Steuergeräte nimmt ab und die Performance wird auf ein neues Level gehoben. Gerade in Bezug auf die Elektromobilität wird es einen großen Mehrwert in Verbindung mit der Hochvoltbatterie geben: Das Fahrzeug kann zu günstigen Zeiten dank dynamischer Stromtarife geladen werden und kann auch Energie wieder ins Haus und perspektivisch auch ins Netz Zurückspeisen, um für den Eigentümer weitere finanzielle Anreize zu schaffen.

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Quelle Titelbild: BMW

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