Das Thema Schnellladen, Batteriealterung und Schäden an der Batterie im Elektroauto wird häufig diskutiert. Auch das Thema Sicherheit in Bezug auf Spannung und das sogenannte „thermische Durchgehen“ spielen eine besondere Rolle. Wie das Matter Start-Up BAVERTIS aus München mit seiner softwarebasierten Batterietechnologie einen Ausblick zur Lösung all dieser Probleme gibt, habe ich mir auf der IAA MOBILITY 2023 angeschaut.

Viele Herausforderungen eine Lösung – Softwarebasierte Batterie von BAVERTIS

Der Hochvoltspeicher eines Elektroautos ist das teuerste Bauteil. Deshalb widmen die Automobilhersteller der Batterietechnologie eine hohe Aufmerksamkeit. Hat diese Komponente einen Fehler oder Schaden, wird es nicht nur teuer, sondern auch richtig aufwendig. Es muss analysiert werden, welche Zelle im Gesamtverbund den Defekt hat und der Speicher muss aufwendig ausgebaut werden. Der Aufwand beim Ausbau der Hochvoltbatterie ist je nach Integrationsart (Cell-to-Pack oder Cell-to-Chassis) im Fahrzeug unterschiedlich groß.

Tritt der Fall ein, muss hierfür besonders geschultes Personal die Arbeiten verrichten. Da die Systemspannungen der Hochvoltbatterie aktuell in den zwei Spannungsklassen von 400 und 800 Volt im E-Auto Anwendung finden, benötigt das Personal eine entsprechende Qualifikation. Porsche geht hier bei den Technikern den Weg einer dreistufigen Qualifizierung. Die unterste Qualifikation beinhaltet Basiswissen, um Standard-Reparaturen (Reifenwechsel etc.) an einem Hochvolt-Fahrzeug durchführen zu können. Danach kommt der Hochvolt-Techniker, bei dem die Aufgaben schon komplexer werden. Dieser ist für die Spannungsfreischaltung ausgebildet, bewertet und klassifiziert die Lithium-Batterien und ist für die Logistik von Hochvolt-Batterien verantwortlich. Der Hochvolt-Experte ist befähigt, Arbeiten an der Hochvoltbatterie selbst durchführen zu können und Hochvoltbatterien mit Isolationsfehlern für einen Transport vorzubereiten. Diese Abstufung zeigt, wie komplex und gefährlich Hochvoltsysteme an sich sind und wie hoch der Qualifizierungsbedarf und der damit aufwendige Arbeitsablauf in den Werkstätten ist.

Auch bei den Batterien spielt immer wieder das Thema State of Health (SoH), zu deutsch Gesundheitszustand, eine große Rolle. Hier ist sind die kalendarische Alterung und die Zyklenfestigkeit (Be- und Enladevorgänge) von Bedeutung. Der Anwender merkt im Alltag, dass die Reichweite seines Fahrzeugs geringer wird oder die Leistung des Fahrzeugs abnimmt. Die meisten Hersteller geben deshalb eine Garantie auf eine Restkapazität von 70% innerhalb von acht Jahren oder 160.000 km Fahrleisten (je nachdem was früher eintritt).

Software als Schlüssel zur nachhaltigen Multilevel-Batterie

BAVERTIS löst mit ihrer softwarebasierten Batterie einige dieser Probleme. Doch zunächst einmal, schauen wir uns den Ist-Zustand an. Die bisherigen Hochvoltsysteme unterteilen sich in zwei Klassen bei der Systemspannung von 400 oder 800 Volt. Der Ansatz des Start-Ups ist, mit Hilfe eines Hardwaremoduls die Schaltungen zwischen den Zellen durchzuführen. Dadurch können nicht nur unterschiedliche Systemspannungen erzeugt werden, sondern je nach Anwendungsfall jede einzelne Zelle seriell und parallel geschaltet werden. Dieses Verfahren nennt sich Multilevel-Management und bietet einige Vorteile im Vergleich zu den bisherigen fixen Spannungen im Hochvoltsystem.

Wie die AC-Batterie Komponenten im E-Auto überflüssig macht

Ein weiterer Vorteil der softwarebasierten Batterie, die auch gerne AC-Batterie genannt wird ist, dass dies zum Wegfall von diversen Komponenten führt. In den üblichen Akkus von Elektroautos kommt ein Batteriemanagementsystem (BMS), ein On-Board Charger, und ein Inverter zum Einsatz. Diese drei Komponenten werden durch den Einsatz der BAVERTIS-Lösung obsolet. Es entstehen Kosten- und Gewichtsvorteile durch den Wegfall und natürlich sinkt die Komplexität und Anfälligkeit des Batteriesystems. Zusätzlich wird durch die Technik von BAVERTIS das bidirektionale Laden ohne weitere Komponenten möglich.

Ein Demonstrator auf der IAA MOBILITY 2023 von BAVERTIS

Demonstrator eines Batteriepacks von BAVERTIS

Sinusbasiertes Laden – Lebensverlängerung dank BAVERTIS

Die Schaltung der einzelnen Zellen ermöglicht ein sinusbasiertes Laden, das zu einem effizienteren Laden des Batteriesystems führt. Dies wird möglich, da die Frequenz der jeweiligen Situation angepasst werden kann. Durch die Pulsbelastung der Zelle kann diese um bis zu 50% besser geladen werden, da niedrigere Widerstände anliegen. Es werden die Zellen geschont und die Lebensdauer um 60% erhöht. Durch die unterschiedlichen Spannungslevel die realisiert werden können, wird es leichter das gesamte Akkupack oder einzelne Module in 2nd Life Anwendungen, wie zum Beispiel stationäre Speicher, zu überführen.

Smarte Schaltung des Batteriepacks sorgt für Sicherheit und Haltbarkeit

Eines der Probleme ist aktuell die hohe Spannung. Wie eingangs erwähnt, ist für diese Arbeiten entsprechend qualifiziertes Personal notwendig. In Zeiten des Fachkräftemangels und des allgemeinen Personalmangels stellt das ein Problem dar. Auch die Qualifzierungen in den Service-Werkstätten müssen erst erfolgen und das Personal geschult werden.

Da das Batteriesystem von BAVERTIS so konzipiert ist, dass in der Grundstellung immer eine niedrige Spannung von 4 Volt anliegt, können Arbeiten am Fahrzeug gefahrenfrei durchgeführt werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass im Falle eines Fahrzeugunfalls für Rettungskräfte eine geringere Gefahr von der Batterie ausgeht.

Die Zelle im Fokus – Diagnose leicht gemacht

Das System des bayerischen Start-Ups diagnostiziert den Status jeder einzelnen Zelle. Mit dieser Technik ist man in der Lage, jede einzelne Zelle in puncto Temperatur Gesundheitszustand und Spannung auszulesen. Dies ermöglicht das Feststellen einer defekten Zelle und kann dadurch den sogenannten „Thermal Runaway“ verhindern. Beim „Thermal Runaway“ (zu deutsch „thermisches Durchgehen“) gibt es einen Kurzschluss auf Zellebene. Diese Zelle überhitzt und löst eine Kettenreaktion im Hochvoltspeicher aus: Die anderen Zellen erhitzen ebenfalls und es kommt zu einer Kettenreaktion, die im besten Fall nur zu einem Schaden der umliegenden Zellen führt, im schlimmsten Fall führt es dazu, dass der gesamte Batteriepack zu Brennen anfängt.

BAVERTIS ermöglicht zusätzlich den Einsatz verschiedener Zellchemien in einem System. Es können günstigere Zellchemien mit teureren Zellchemien kombiniert werden, die in bestimmten Fahr- oder Leistungssituationen die Vorteile der jeweiligen Zelle ausnutzen. Eine Natrium-Ionen Zelle könnte ihre Vorteile in kälteren Situationen ausspielen, während Lithium-Ionen Zellen bei kälteren Temperaturen schlechtere Ladeströme haben.

Ein weiterer Vorteil ist, dass eine einzelne übermäßig gealterte oder gar defekte Zelle das gesamte Akkupack nicht mehr beschneidet. Sie kann durch die Schaltung der Zelle einfach herausgenommen werden. Die Antriebsbatterie wird daher nicht mehr durch die schwächste Zelle limitieret.

Nachteile des Systems

Wie jedes System gibt es auch bei der softwaredefinierten Batterie Nachteile. Ein mehrmotoriges Fahrzeugkonzept ist schwieriger zu realisieren, da die Motoren nicht mehr über einzelne Inverter angesprochen werden. Außerdem ist der Zwischenkreis, auch DC-Bus komplexer. Ein Zwischenkreis hat sehr vereinfacht gesagt die Aufgabe, bei konstanten Spannungen einen variablen Stromfluss mit Hilfe von Kondensatoren zu ermöglichen. Bei konstanten Strom wird das durch eine Drosselung erfolgen und die Spannung variiert in diesem Kreis. Da beide beschriebenen Anwendungsfälle in der Elektromobilität zum Einsatz kommen, muss dieser Bereich technisch komplexer gelöst werden. In der Gesamtbetrachtung des Systems überwiegen allerdings die Vorteile gegenüber den hier genannten Nachteilen. Auch der technologische Fortschritt der Digitalisierung nutzt bei der Umsetzung des Systems: Durch den „Bitcoin-Boom“ kamen Chips auf den Markt, die genau den Anforderungen entsprachen.

Inhalt

TOB-E

Wir bedauern in Deutschland, dass es keine vergleichbare Start-Up Kultur wie in anderen Ländern und zu wenig Innovationen aus Deutschland gibt. BAVERTIS zeigt, dass dies nicht der Fall ist! Mit ihrem Lösungsansatz zeigen sie, welches Potenzial in der Batterie eigentlich noch steckt und dass es für viele Probleme in der Elektromobilität auch Lösungen gibt. Während der Fokus in den Medien bei der Batterie immer auf der neuesten Zellchemie liegt, beseitigt das Team von BAVERTIS zunächst systemische Probleme. Besonders bemerkenswert ist, dass es ein Start-Up ist, das sowohl im Bereich der Hard- und Software agiert. Viele große Unternehmen wie Apple haben gezeigt, dass eine Symbiose zwischen Hard- und Software der Schlüssel zum Erfolg ist.

Ich hoffe, dass das Team von BAVERTIS mit ihrem Konzept die deutschen OEMs von ihrer Idee überzeugen kann, damit Elektromobilität einfacher, sicherer, nachhaltiger und vor allem eines – günstiger für den Endkunden wird! Oder gar die nächste Innovation durch andere Länder umgesetzt wird.

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