Die erste Woche der Auto Shanghai 2023 ist vorbei – Zeit für ein Review. Die Hersteller haben ihre neuen Modell auf der großen Bühne präsentiert. Viele der vorgestellten Modelle werden auch den Weg zu uns finden. Meine Highlights, wo ich noch Luft nach oben sehe und wie sich die Deutschen Hersteller präsentierten erfährst du hier.
Volkswagen – ID.7 zeigt was VW kann!
Was war ich positiv überrascht, als ich das unverhüllte Design des Fahrzeugs sehen konnte. Designelemente, die bei Volkswagen wieder an die Erfolgsmodelle aus der Verbrennerwelt erinnern, effiziente Leistungsdaten mit vernünftiger Akkugröße und ein Interieur, das man zumindest, wenn man den Bilder trauen kann, wieder anfassen möchte.
Volkswagen hat hier technologisch wieder einen Schritt in Richtung E-Mobilität gemacht. Bei dem ein oder anderen YouTuber konnte man schon das Infotainment in der Version 4.0.0 sehen. Die neueste Version beinhaltet eine bessere Navigation für die Langstrecke. Das User Interface beinhaltet Grundfunktionen, die man aus mobilen Endgeräten bereits kennt. Dies macht die Bedienung des gesamten Infotainmentsystems wesentlich einfacher.
Auch die Tatsache, dass es endlich eine Parkautomatik via App gibt, die man sogar außerhalb des Fahrzeugs bedienen kann, ist für mich ein Quantensprung bei Volkswagen. Wenn diese Funktion zuverlässig und vor allem eine geringe Latenz in der Praxis hat, dann bietet diese einen richtigen Mehrwert im städtischen Alltag bei engen Parklücken. Auch das optionale Glaspanoramadach, das sich durch Flüssigkristalle transparent oder blickdicht schalten lässt, vermittelt ein wertiges Extra und Innovation.
Außerdem hat Volkswagen mit dem neuen Elektromotor „APP550“ wieder gezeigt, was German Engineering bedeutet. Jede Komponente des Elektromotors wurde in Sachen Leistung und Effizienz verbessert. Da ist es fast schon zu verschmerzen, dass die Systemspannung aufgrund der MEB-Plattform nur bei 400 Volt liegt.
Was mich etwas erstaunt hat, ist die geringe Spreizung der Akkukapazität. Der Unterschied zwischen 77 kWh und 84 kWh erscheint mir doch etwas zu gering, um in der Realität eine höhere Reichweite von 100 km zwischen den Varianten erzielen zu können. Hat Volkswagen hier vielleicht noch etwas im Köcher? Hat die höhere Akkukapazität etwas mit der angeteasten GTX Variante zu tun? Bleibt nur noch zu hoffen, dass der bislang offene Preis der Elektrolimousine nicht zu hoch ausfällt. Die asiatische Konkurrenz in Form von Polestar 2 und IONIQ 6 oder gar das Tesla Model 3 haben hier ein gutes Preis-Leistungsverhältnis.
Auch erhoffte ich mir bei der Premiere die lange von Volkswagen angekündigte Funktion des bidirektionalen Ladens. Bisher ist das viel angekündigt worden, sowohl von den großen OEMs (Volvo und Volkswagen), als auch von der Energiewirtschaft, doch keiner gibt auch nur einen Ausblick wann zumindest Vehicle-to-Home in Deutschland verfügbar ist.
Polestar 4 – Konkurrenz zum elektrischen Macan?
Der Polestar 4 ist ein weiteres Highlight auf der Auto Shanghai 2023. Er fällt bei mir ebenfalls positiv durch das Design und durch sein Gesamtkonzept auf. Man hat bei Polestar immer das Gefühl, dass sie sich um jedes Details der einzelnen Fahrzeuge kümmern. Und das verkaufen sie auch gut in ihren Präsentationen. So sind Details, wie das elektrochrome Panoramadach, der Blick in einen digitalen Rückspiegel (da das Fahrzeug keine Heckscheibe hat und geschlossen ist) und das aufgeräumte, klare und moderne Infotainment mit Android Auto als Betriebssystem die Highlights des Fahrzeug.
Doch wenn man sich die genauen Leistungsdaten anschaut, wird einem klar, dass diese Highlights auch nichts an den harten Fakten ändern. Die Akkukapazität von üppigen 94 kWh (netto) reichen voraussichtlich nur für eine WLTP Reichweite 600 km und das trotz Einsatz eines stromsparenden permanent erregten Synchronmotor. Die Systemspannung von 400-Volt der SEA Plattform dürfte, wenn der elektrische Macan auf der PPE Plattform mit 800-Volt Systemspannung auf den Markt kommt, das Nachsehen nicht nur in der Reichweite haben, sondern auch beim Schnellladen. Mit maximal 200 kW holt der Polestar 4 zwar das maximale an der europäischen Schnellladesäule raus, muss jedoch anhand der Ladekurve erst beweisen, dass er trotzdem schneller lädt als die Mitkonkurrenten. Die Angabe im vorläufigen Datenblatt beziffern eine Ladezeit von 5% auf 80% innerhalb von 32 Minuten. Ob die DC-Leistung konkurrenzfähig zu anderen Mitbewerbern ist, bleibt abzuwarten.
Das bidirektionale Laden stellt hier die Vehicle-to-Load Funktion bereit. Diese Funktion reicht zwar aus, um Geräte, die einen haushaltsüblichen Schukostecker verwenden zu betreiben, allerdings nicht um größere Verbraucher oder gar ein ganzes Haus zu versorgen.
In punkto Sicherheit bietet der Polestar aufgrund seiner Verwandtschaft zu Volvo Sicherheit auf Höhe der Zeit. Neben den Sensoren für die bekannten Assistenzsysteme liegt vor allem der Fokus auf dem größten Sicherheitsrisiko: dem Fahrer. Der Pilot wird über das Fahrerüberwachungssystem des Polestar 4 während der Fahrt durch Kameras in Verbindung mit Sensoren im Lenkrad überwacht. So kann der Polestar erkennen, ob der Fahrer müde oder abgelenkt ist und gibt Warnhinweise aus.
Auch das Bedienkonzept des Polestar 4 überzeugt mich. Dieses ist nicht nur auf die vorderen Reihen fokussiert, sondern bietet über ein Touchdisplay zwischen den Vordersitzen den Passagieren im Fonds Medien- und Klimasteuerung an.
Zeekr X – Kompaktes Elektro-SUV kommt nach Europa
Die Geely Holding diversifiziert ihr Produktportfolio weiter. Zeekr hat neben der öffentlichen Vorstellung des Zeekr X auch bekanntgegeben, dass die Firma auf den europäischen Markt im drittel Quartal diesen Jahres expandieren wird. Der Zeekr X basiert, wie die Konzernbrüder von Smart, auf der SEA Plattform. Mit einer Akkukapazität von 66 kWh werden damit Reichweiten von circa 400 km ermöglicht und mit einer Ladeleistung von bis zu 150 kW eine akzeptable Schnellladefähigkeit auf der Langstrecke geboten. Die Kombination mit diesem relativ kleinen Akku und der dafür relativ hohen DC-Leistung stellt ein gutes Packaging dar!
Anders als beim Smart #3 wird es den Zeekr X auch mit Allrad geben. Mit einer Leistung von 315 kW und einem Drehmoment von 543 Nm setzt der Zeekr X auf performanceorientierte Fahrer. Auch die einmotorige Variante mit 200 kW wird vermutlich als Einstiegsmodell verfügbar sein.
Die Chinesen möchten mit Premium Features im Interieur und mit digitalen Funktionen punkten. Der Bildschirm mit 14,6 Zoll in der vorderen Sitzreihe soll verschiebbar sein, um die Bedienung für den Beifahrer zu vereinfachen. Er bietet digitale Features, wie Gesichtserkennung um das Fahrzeug zu entsperren, zeitgemäße Assistenzsysteme und einen Kühlschrank der bis zu -15° erreichen kann. Ich bin gespannt ob all diese Features es auch auf dem europäischen Markt schaffen. Falls das zutrifft und die Preise mit denen in China vergleichbar sind, hat der Zeekr X das Potenzial auch bei uns zum Kassenschlager zu werden.
Audi – Trend zum digitalen Ökosystem erkannt
Audi fokussiert sich bei der Präsentation in Shanghai auf Themen der Formel 1 und auf Konzepte, die wir von anderen Vorstellungen bereits kennen. Leider hat Audi kein neues Serienmodell vorgestellt.
Die Deutschen Hersteller verloren in den letzten Monaten zunehmend Marktanteile auf dem chinesischen Markt. Der Grund: Die Kunden wollen vermehrt digitale Services nutzen. Deshalb hat Audi ein Ökosystem für seine batterieleektrischen Fahrzeuge angekündigt. Demnach sollen die Kunden sich über die Audi Community App und einem WeChat-Miniprogramm connecten und austauschen können. Auch setzt Audi im Fahrzeug selbst auf Entertainment wie Streaming- Gaming- und Social Media-Angebote.
In wie weit diese Features zu uns kommen und auch für Deutschland relevant sind, ist nicht bekannt. Vor allem hat der europäische Kunde meiner Meinung nach andere Anforderungen an digitale Services, wie die digitalaffinen Kunden aus Fernost.
BMW – Mini wird elektrisch – Digitalisierung im Fokus
Auch der Premiumhersteller aus München will in puncto Digitalisierung nachlegen. Der in China für den chinesischen Markt produzierte iX 1 kommt mit dem aktuellen BMW Operating System 9 und bietet bereits QuickSelect. Ebenso hatte BMW den stärksten elektrischen BMW in Form des i7 M70 xDrive im Gepäck, der mit Allrad, insgesamt 660 PS und einem Drehmoment von 1.100 Nm seinesgleichen sucht.
MINI wird ebenfalls elektrisch und zielt dabei vor allem auf jüngere Kunden ab. Der digitale Assistent Spike soll die Benutzer durch ihren automobilen Alltag führen und mit dem MINI Concept Iceman wird ein Ausblick auf einen elektrischen Crossover gegeben.
Inhalt
VW scheint sich nach und nach in Bezug auf Digitalisierung und E-Auto-Offensive zu konsolidieren und mit neuer Kraft anzugreifen. Polestar überzeugt mit dem Polestar 4 mal wieder mit einem schlüssigen, frischen und modernen Gesamtkonzept. Wenn man jedoch die Antriebstechnik mit den deutschen Premiumherstellern vergleicht, frage ich mich ob das die Kunden überzeugen kann. Vorausgesetzt, die Plattform PPE von Porsche und Audi oder die NEUE KLASSE von BMW hält das was sie verspricht.
Das ist auch der Grund, warum es mich wundert, dass von diesen Innovationen nichts im wichtigsten Absatzmarkt vorgestellt wurde. Von meinen Wunschkandidaten haben weder BMW noch Audi Neues vorgestellt. Die Hersteller aus Deutschland haben jedoch verstanden, dass digitale Services und ein digitales Ökosystem insbesondere in den asiatischen Ländern von wichtiger Bedeutung sind, um die dortige Kundschaft zu überzeugen. Ich hoffe, dass wir auch hierzulande davon recht bald profitieren!
Quelle Titelbild: Hersteller
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